Zierpflanzensammlungen in privaten Gärten - Wege zur langfristigen Erhaltung der VielfaltPflanzensammlungen“ in Veitshöchheim – Konkrete Leitlinien nach erstem Symposium zum Netzwerk Pflanzensammlungen in Veitshöchheim - Nächste Schritte: Entwicklung von Motivationskonzepten und Qualitätsmerkmalen für ein künftiges Schutzlabel.
Die Engländer haben es. Die Franzosen haben es. Die Schweizer haben es. Die Holländer haben es. Und sogar die US-Amerikaner haben es – wenn auch nicht in allen 50 Bundesstaaten. So sollte es in Deutschland doch auch gelingen, symbolisch gesehen ein Haus zu bauen mit einem ausladenden Dach für möglichst viele schützenswerte Pflanzensammlungen. Diesem Ziel ist das Projekt „Netzwerk Pflanzensammlungen“ mit seinem ersten Symposium „Pflanzensammlungen im Fokus der Öffentlichkeit“ einen guten Schritt näher gekommen. Aus einer großen Themenfülle konzentrierten sich die rund einhundert Teilnehmer vom Sammler bis zum Wissenschaftler schlussendlich auf zwei Schwerpunkte: Wann ist eine Sammlung schutzwürdig und wie motiviert man Sammlungseigner im „Netzwerk Pflanzensammlungen“ mitzumachen? Die Ideen, die an diesem Wochenende eingebracht wurden, nimmt die projektführende Deutsche Gartenbau-Gesellschaft als Leitlinien für die Erarbeitung eines tragfähigen Konzeptes.So vielfältig wie die botanischen Raritäten, die in Deutschland in privaten, kommunalen oder wissenschaftlich betriebenen Gärten gedeihen, so vielfältig war auch das Auditorium beim 1. Symposium des „Netzwerk Pflanzensammlungen“, dass seit Juni 2011 in einem dreijährigen Projekt vom BMELV über die BLE finanziert wird. Die Teilnehmerliste zum zweitägigen Austausch in der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim liest sich wie ein „who is who“ von Menschen, für die sich – beruflich und/oder privat – nahezu alles um die Pflanze dreht. Doch dass bei so unterschiedlichen Zielrichtungen wie Erwerbspflanzenbau, Forschung, Züchtung, Liebhabergesellschaften und private Leidenschaft schlussendlich doch gemeinsame Nenner gefunden wurden, wertete DGG-Präsident Karl Zwermann als äußerst positives und ermutigendes Ergebnis dieses Symposiums. Jürgen Mertz, Präsident des Zentralverbandes Gartenbau (ZVG), bekannte, fasziniert von den Gesprächen mit unterschiedlichsten Pflanzensammlern: „Der Schutz der Pflanzenvielfalt ist alternativlos!“ Auftakt zum Symposium „Pflanzensammlungen im Fokus der Öffentlichkeit“ war wenige Tage zuvor die Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung zwischen der BLE und der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft mit dem Ziel, ein „Netzwerk Pflanzensammlungen als Bestandteil der Deutschen Genbank Zierpflanzen“ zu etablieren. Damit sollen private Pflanzenliebhaber eine Plattform erhalten, um ihr Wissen zu Pflanzenarten und Sorten auszutauschen und weiterzugeben. Beim Symposium erläuterte BLE-Referatsleiter Hans Fink: „Zierpflanzen sind Teil der biologischen Schöpfung. Deshalb wollen wir sie erhalten.“ Doch die BLE sei mehr als Geldgeber für Projekte wie das auf drei Jahre angelegte „Netzwerk Pflanzensammlungen“: „Wir wollen mit Ihnen reden und gegebenenfalls auch ringen um weiterführende Wege.“ Über 100 private Sammler haben sich laut Fink bisher für die „Deutsche Genbank Zierpflanzen“ registrieren lassen.
„Sammlungen brauchen Platz, Zeit und Pflege“ weiß aus eigener Erfahrung der Kustos des Botanischen Gartens der Universität Würzburg, Dr. Gerd Vogg. Er betonte aber auch: „3000 Kakteen sind noch keine Sammlung.“ Erst die Vielfalt der Arten und Sorten, ein Konzept und eine Dokumentation mache eine Sammlung aus. Und damit folge der Sorge um ihren Schutz und ihre Weitergabe, die Frage nach der Zugänglichkeit für die Wissenschaft und warum nicht auch zur Freude der Öffentlichkeit. „Die Botanischen Gärten in Deutschland“, so Vogg, „wollen ihre Erfahrungen einbringen zum Schutz von möglichst vielen Pflanzensammlungen.“ Die Einbettung des „Netzwerks Pflanzensammlungen“ in die Gesamtstruktur der Deutschen Genbank Zierpflanzen verdeutlichte Frau Sensen aus dem Informations- und Koordinationszentrum für Biologische Vielfalt der BLE und ging dabei vertieft auf die Regelungen zur Abgabe von Pflanzenmaterial ein. Wie gute Zusammenarbeit zum Schutz einer Sammlung in der Praxis funktionieren kann, machten Bettina de la Chevallerie und Stefan Strasser anschaulich. Während die Projektleiterin auf die Anfänge, die inzwischen gewachsene Struktur und die konkreten Ziele des „Netzwerk Pflanzensammlungen“ einging, schilderte der Schöpfer der „Lilien-Arche Erlangen“, mit welchem Herzblut und mit welcher Hingabe, zeitlichem und auch finanziellem Aufwand Privatleute ihre Sammlungen aufbauen, hegen und pflegen, um – im schlimmsten Fall – zu ahnen, dass mit ihrem Tod auch die Sammlungen sterben und wertvolles Erbgut auf immer verloren sein wird. Deshalb sollten sich die privaten Zierpflanzensammler gegenüber dem „Netzwerk Pflanzensammlungen“ und der „Deutschen Genbank Zierpflanzen“ und ihr Expertenwissen zur Verfügung stellen. Wie Bewahrungsstrukturen bei Nutzpflanzen, speziell Obst und Gemüse, funktionieren, veranschaulichte Katharina Adams, die künftige Präsidentin der Gesellschaft der Staudenfreunde. „Auch wir sind Pflanzenliebhaber!“ Dr. Cornelia Löhne von Botanischen Garten Berlin-Dahlem warb für ein Schutzlabel für Sammlungen, um wissenschaftlichen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden und gleichzeitig um Vertrauen bei den privaten Sammlern im Sinne einer nachhaltigen Sicherung ihrer Pflanzenwerte. Gleichermaßen äußerte sich Dr. Burkhard Spellerberg vom Bundessortenamt, wo die neue Genbank für samenvermehrte Zierpflanzen angesiedelt ist und gängige Samen, aber gerade auch Raritäten für die Zukunft sicher aufbewahrt werden. Für rechtliche Aufklärung sorgte Franz Böhmer vom Bundesamt für Naturschutz, denn jede Pflanze, die im „Netzwerk Pflanzensammlungen“ registriert ist, sollte auf legalem Weg nach Deutschland gekommen sein unter Einhaltung der nationalen und internationalen Artenschutz-, Einfuhr- und Haltungs-Bestimmungen. Im Ausland sind auf unterschiedlichste Art und Weise Netzwerke zum Schutz von Pflanzensammlungen entstanden. Deutlich wurde dies anhand der Konzepte aus Frankreich, Nordamerika, den Niederlanden und Großbritannien: Aller Anfang ist schwer, doch mit Mut, Akribie und Zielstrebigkeit sind in all diesen Ländern tragfähige Schutzkonzepte entstanden, so dass, wie es der BAPS-Vorsitzende Lüder Nobbmann zusammenfassend formulierte, „das Rad in Deutschland nicht neu erfunden werden muss“. Der Schutz der genetischen Ressourcen einer Sammlung ist die eine Sache, eine solide finanzielle Basis eine andere. Sicherlich kann das im Symposium aufgeführte Beispiel eines tragfähigen Finanzkonzepts des Arboretum Härle (Bonn) in seinem Umfang nicht unbedingt als allgemein gültiges Vorbild gelten. Dennoch lieferten Erich Steindörfer vom Deutschen Stiftungszentrum und der Technische Parkleiter Michael Dreisvogt am Beispiel der Stiftung durchaus Hintergründe, die im Hinblick auf den Fortbestand einer Sammlung wohl durchdacht sein sollten. Dass auch touristische Aspekte einer Sammlung nicht zu unterschätzen sind und Vermarktungskonzepte Sinn machen, ergänzte Christian Grüßen vom Europäischen Gartennetzwerk EGHN auch im Hinblick auf mögliche Einnahmequellen. Wie geht es nun weiter mit dem „Netzwerk Pflanzensammlungen“? In einem sogenannten „World-Café“ hatte Moderatorin Ilona Böttger (FIELDS, Berlin) die Frage in den Raum gestellt, ob es zum jetzigen Zeitpunkt für das „Netzwerk Pflanzensammlungen“ Sinn machen würde, ein „Schutzlabel“ zu entwickeln und einzuführen, also einen Markennamen, verbunden mit konkreten Auflagen, die eine Sammlung zu erfüllen habe, um dieses Label tragen zu dürfen. Viele Symposiumsteilnehmer sprachen sich für die Verwendung des Logos der „Deutschen Genbank Zierpflanzen“ aus, da dieses Logo für eine hohe Qualität der Sammlungen steht. Im Vordergrund stehen vorerst jedoch Motivationskonzepte für die Registrierung einer Sammlung sowie die Ausarbeitung von Qualitätsmerkmalen. Die Ergebnisse der wechselnden, insgesamt zweistündigen Gesprächsrunden flossen als Basis ein in vier Workshops mit intensivsten Diskussionen und vielen Ideen. „Damit haben Sie die Leitlinien geschmiedet für unsere künftige Arbeit“, resümierte DGG- Präsident Karl Zwermann. Die Dekade der Biologischen Vielfalt, 2008 ausgerufen vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), dauert noch acht Jahre. Für den DGG-Präsidenten ist das ein Ansporn: „Nutzen wir die Zeit, die Unterstützung seitens der Behörden, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und bringen wir ein tragfähiges Netzwerk Pflanzensammlungen auf einen guten und nachhaltigen Weg.“ (tia/DGG)
Fotos Galerie auf unter www.dgg1822.de
Zeitnah folgen die einzelnen Symposiumsbeiträge, auch ein Tagungsband ist geplant.