Pflanzenvielfalt, wohin das Auge reicht: Insgesamt 22.000 verschiedene Pflanzenarten beherbergt der Botanische Garten in Berlin-Dahlem. Einen besseren Ort hätte sich die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft (DGG) am 28. März 2012 nicht aussuchen können, um ihr 190-jähriges Bestehen gebührend zu feiern. Im Botanischen Garten Berlin wurde die DGG im Jahr 1822 damals gegründet – allerdings nicht hier in Dahlem, sondern in Schöneberg.
Die
. Rund 180 Repräsentanten der großen deutschen Verbände rund um das Thema Garten aus ganz Deutschland reisten an, um dem ältesten gartenbaulichen Verein Deutschlands die Ehre zu erweisen. Die DGG vertritt als Dachverband insgesamt 6,5 Millionen Mitglieder in den angeschlossenen Verbänden, Vereinigungen und Interessengemeinschaften des Freizeitgartenbaus.
Die Anwesenden verfolgten gespannt die Eröffnungsrede von DGG-Präsidiumsmitglied Klaus Neumann im Neuen Glashaus, die von einem kleinen Spatz zwitschernd begleitet wurde. Die Deckenlichter des Gebäudes standen offen, die Sonne schien durch die Glaswände, zahlreiche Pflanzen schmückten die Räume und immer mehr Vögel bevölkerten das Grün. So bildete, passend zum Thema Pflanzen- und Artenvielfalt, eine zwitschernde und tschilpende Geräuschkulisse den akustischen Hintergrund des gesamten Abends. Die musikalische Untermalung lieferte die Gartenbauerin und Musikerin Barbro Hasse, die von Saxophon bis Querflöte zahlreiche Blasinstrumente präsentierte.
Ilse Aigner: „Wir alle brauchen Grün.“
Hoher Besuch: Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, gratulierte der DGG zum Jubiläum und zeigte sich überzeugt: „Egal, ob Stadt oder Land, wir alle brauchen Grün.“ Pflanzen seien nicht nur für Klimaregulierung, Staubfilterung oder Lärmdämpfung wichtig, sondern auch eine „Wohltat für die Augen“, so die Ministerin. Ohne Grün seien Städte gar nicht bewohnbar. Gartenarbeit sei zwar Arbeit, aber doch eine Arbeit, die Spaß mache. Sie zitierte eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung, die ergeben habe: Auch mit ausreichend Geld auf der hohen Kante würden die meisten Deutschen nicht auf Gartenarbeit verzichten wollen – im Gegensatz zum Bügeln zum Beispiel. Aigner forderte die Hobbygärtner dazu auf, auch in ihren Gärten zunehmend auf Pflanzenvielfalt zu achten. Auch als Schirmherrin des Projektes „Mehr Pflanzenvielfalt in Deutschlands Gärten“ sei ihre persönliche Meinung: „Je wilder, je bunter, je vielfältiger - desto schöner“. Auch das Bewahren dieser Vielfalt sei wichtig: Das Bundessortenamt sei damit beauftragt worden, eine Genbank für samenvermehrte Zierpflanzen aufzubauen. Im Netzwerk Pflanzensammlungen werde ebenfalls ein breiter Datenbestand aufgebaut, um Pflanzenvielfalt auch für künftige Generationen zu bewahren.
Vorsicht vor invasiven Pflanzen
Dr. Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Gartens, beschrieb die Rolle der Botanischen Gärten. Sie dienten sowohl der Forschung pflanzlicher Vielfalt, dem Artenschutz, der Bildung als auch der Erholung der Menschen. Das Thema „Biodiversität“, also die biologische Vielfalt, sei inzwischen „in weiten Kreisen der Gesellschaft angekommen“, so Borsch. Die Botanischen Gärten kultivieren seinen Angaben zufolge 50.000 Arten der bekannten 320.000 Blütenpflanzen in wissenschaftlich dokumentierten Sammlungen. Doch Borsch sieht die Biodiversität bedroht: Einige nach Mitteleuropa eingeführte Pflanzenarten seien so invasiv und vermehrten sich so massiv, „dass sie heimische Arten verdrängen und ganze Ökosysteme verändern“. Nicht nur Privatgärtner, auch die Städte erliegen demnach häufig der offensiven Vermarktung dieser Pflanzen und nutzten sie etwa zur Verschönerung von Wegesrändern. Seiner Meinung nach schließen sich die optische Attraktivität von Zierpflanzen und verantwortungsbewusstes Gärtnern jedoch nicht aus. Sein Wunsch ist es, dass die DGG diesen Gedanken noch stärker in das Projekt „Mehr Pflanzenvielfalt in Deutschlands Gärten“ einfließen lässt. DGG und Botanische Gärten könnten sich „wunderbar gegenseitig ergänzen bzw. sich gemeinsam für die Erhaltung der Pflanzenvielfalt einsetzen“, so der Direktor des Botanischen Gartens.
Die Erde in einen blühenden Garten verwandeln
Karl Zwermann, Präsident der DGG, lobte „die Gärtner, die nicht nur reden, die auch tun.“ Es sei ein Menschheitstraum, die Erde in einen blühenden Garten zu verwandeln – ganz nach einem Zitat von Karl Foerster. Zwermann unternahm eine kleine Reise in die Geschichte der DGG – bis hin zum Preußischen König Friedrich Wilhelm III, der die Order gab, in Preußen den „Verein zur Förderung des Gartenbaus in den Königlich Preußischen Staaten“ zu gründen. Sein Gartenplaner, Peter Josef Lenné, steckte den König damals mit seiner Begeisterung für Gärten an. Lenné schließlich war es auch, der 1823 die Gründung der ersten Gärtnerlehranstalt in Potsdam und Schönefeld erreichte, die später dann nach Dahlem verlegt wurde. Unter den ersten Mitgliedern der DGG waren auch Alexander von Humboldt und sein Bruder Wilhelm. Der Verein kann auf eine lange Erfolgsgeschichte zurück blicken. Ob einzelne Projekte, wie 1961 „Unser Dorf soll schöner werden“ oder die „Grüne Charta von der Mainau“ – die DGG entwickelte zahlreiche Aktivitäten, die sich „wie ein Sauerteig auf die Gesetzgebung und nicht zuletzt auf das Bewusstsein der Bevölkerung auswirkten“, sagte Zwermann. Er verwies darauf, dass die DGG stets eine „dienende Funktion“ innegehabt habe. „Dienen, helfen, fördern!“ sei das Credo der DGG bei ihrer Wiedergründung gewesen. Seine Rede stand unter dem Motto „Zukunft hat Geschichte – wir gestalten Zukunft“. Die aktuellen Schulgarten-Bestrebungen meinte der Präsident damit gleichermaßen wie Kindergärten, in denen Kinder-Natur-Erlebnisgärten geschaffen werden sollen. Einen Ausblick in die nahe Zukunft wagte er bereits jetzt: Im Herbst sei mit dem Verband Deutscher Gartencenter eine gemeinsame Aktion geplant. Er verriet nur soviel: Den Kunden werde dabei ein spezielles Sortiment zum Thema „biologische Vielfalt“ angeboten.
Spruch vom Gärtnersein (von Karl Zwermann):
Von Gott beauftragt
der Schöpfung zu dienen,
den Menschen zum Segen.
Verantwortung für
künftiges Leben.
In Hoffnung säen,
mit Liebe pflegen,
in Dankbarkeit ernten.
Gemeinsam an einem Strang ziehen
Der DGG liegt viel daran, Netzwerke zu schaffen – einerseits Netzwerke der Verbände untereinander, aber auch Netzwerke der Gärten. Viele Gärten gemeinsam sollen zu einem großen Garten werden, zu einem Biotopverbund, einer Vielfalt der Pflanzen und Arten führen, so die Idealvorstellung. Dazu sind ein intensiver Austausch und eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten nötig. Dies war auf der großen Jubiläumsfeier in außerordentlichem Maße in angenehmer Atmosphäre möglich.
Mareike Brombacher
„Besonders gern mag ich Tränende Herzen“
- Interview mit Bundesministerin Ilse Aigner –
Frau Aigner, Ihr Ministerium engagiert sich für die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft, sie selber sind Schirmherrin des Projektes „Mehr Pflanzenvielfalt in Deutschlands Gärten“.
Welche Bedeutung hat für Sie persönlich der Garten?
Ich liebe es, an der frischen Luft und in der Natur zu sein. Ich selbst arbeite gern im Garten, auch wenn ich dafür leider wenig Zeit habe. Gärten sind für mich grüne Inseln in unserem hektischen Alltag. Je vielfältiger und bunter ein Garten, desto schöner. Viele Millionen Gärtnerinnen und Gärtner sorgen dafür, dass es um uns herum grünt und blüht.
Was ist ihre Lieblings-Gartenpflanze und warum?
Besonders gern mag ich das „Tränende Herzen“. Die Stauden sind schön grün und wild und bilden im Frühjahr zierliche Blüten in rosa und weiß. Diese Mischung gefällt mir.
Warum sollten Menschen einen Garten pflegen?
Im eigenen Garten haben wir die Möglichkeit, die Natur hautnah zu erleben. Man sät, gießt, zupft Unkraut und kann mit ansehen, wie die Natur wächst. Das ist auch für Kinder eine tolle Erfahrung: Sie ziehen zum Beispiel Radieschen und gelbe Rüben mit einer solchen Hingabe und Freude groß und können es kaum erwarten, das Selbstangebaute endlich essen zu können. Dieser direkte Kontakt zur Natur verändert unseren Umgang mit Pflanzen und Lebensmitteln. Kurzum: Die Arbeit im Garten tut uns und der Natur gut.
Wie lassen Menschen sich auf politischer Ebene dazu bewegen, mehr Vielfalt in ihre Gärten zu bringen?
Vielfalt kann man nicht durch Gesetze schaffen, das geht nur durch Überzeugung. Mit dem Projekt „Netzwerk Pflanzensammlungen“ zum Beispiel fördern wir gemeinsam mit der DGG ein Netzwerk, das engagierte Menschen zusammenbringt und ihnen hilft, die Pflanzenvielfalt in deutschen Gärten auch für künftige Generationen zu erhalten. Das hat gleich zwei Vorteile: Zum einen wird ein umfangreicher Datenbestand aufgebaut, zum anderen bringen wir Gleichgesinnte zusammen und helfen älteren Sammlern auf der Suche nach neuen Paten.
Welche Projekte und Aktionen sind in nächster Zeit vorgesehen?
Die Gärten und ihre Vielfalt sind uns wichtig. Deswegen fördern wir das Projekt „Netzwerk Pflanzensammlungen“ auch in Zukunft. Außerdem unterstützt mein Ministerium die DGG nach Kräften auf ihrem Weg als Dachorganisation aller Verbände des Freizeitgartenbaus. Unser gemeinsamer Kongress „Zukunft Garten“, der im Juni 2011 während der Bundesgartenschau in Koblenz stattfand, war ein wichtiger Schritt. Nun geht es um die Umsetzung der Ergebnisse. Bei den dafür nötigen Workshops können wir die DGG ebenfalls unterstützen.
Frau Aigner, herzlichen Dank für das Interview.